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Text: Dirk Pörschmann


Tiefer gelegt. Ein Perspektivwechsel für die Naturbetrachtung


Josef Herz hat auf dem Gelände der Alten Schule an einer leichten Erhebung ein circa halben Meter breites und 2,50 Meter langes Loch in die Erde gegraben, in das man bequem über eine Treppe 1,65 Meter tief hinabsteigen kann. Von oben betrachtet erweckt die Grube Assoziationen zu einem Erdgrab oder einem in die Erde eingelassenen Sarg und der Abstieg fällt nicht allen Besuchern leicht. Unten angekommen wird man mit einem Ausblick belohnt, der vielen Soldaten der beiden Weltkriege in den bei Stellungskriegen üblichen Schützengräben wohl vertraut war, der jedoch den kunstinteressierten Ausstellungsbesuchern des 21. Jahrhunderts meist ungewohnt sein dürfte. Der Blick kann durch das Dickicht der Pflanzen und des Unterholz schweifen und der Ausblick in die Landschaft wird schnell zum Einblick in eine fremde Welt im Kontext des Alltäglichen.

Die Arbeit "down under" von Josef Herz lässt den Betrachter mit der ihn umgebenden Landschaft auf Augenhöhe kommen. Sie ermöglicht es ihm, einen Perspektivwechsel vorzunehmen, der ihm einen scheinbar so nahen und zu seinen Füßen liegenden Kosmos eröffnet, der unbekannter und spannender ist, als es zuerst scheinen mag. Ein-Blick und Aus-Blick verbinden sich und so wird der Mikrokosmos der Gräser, Blumen und Insekten in den Makrokosmos der Landschaft integriert; einzig ein Über-Blick ist nicht möglich. Seit dem Turmbau zu Babel bis hin zum 818 Meter hohen "Burj Dubai" (Turm von Dubai) strebt die Menschheit in Architektur und Wissenschaft in reale oder geistige Sphären, die Macht repräsentieren, Überblick verschaffen und Welt erklären wollen. "down under" bietet den Besuchern, verbunden mit einem realen Abstieg, entgegen der Ästhetik des Erhabenen eine Sichtweise auf Natur, die relativieren kann, ohne klein zu machen.

Im Unterschied zur romantischen Landschaftskunst eines Caspar David Friedrich, der dem Betrachter durch die in seinen Gemälden häufig verwendeten Rückenfiguren einen Stellvertreter im Bild bietet, um aufzuzeigen, wie man Landschaft betrachten kann, fordert die Arbeit "down under" dazu auf, sich selbst ein Bild zu machen. In einer rezeptionsästhetischen Deutung ist somit nicht mehr der Betrachter im Bild, sondern der Betrachter erhält die Möglichkeit, sich selbst ein neues Bild von Natur zu schaffen.

Nach Ausstellungsende hat Josef Herz die Grube mit einem bunten Holzlattenteppich abgedeckt, um Mensch und Tier vor einem unliebsamen Fall in die Tiefe zu schützen. Angedacht ist die Möglichkeit, das Loch mit Beton auszugießen und somit ein 'Treppengrab' zu schaffen, möglicherweise mit dem Hinweis:
"Hier ruht in Frieden eine Treppe." 


Katalog Blumen für Baruth 2008
Objekt für die Ausstellung "Blumen für Baruth" 2008